Wir arbeiten für Menschen, die „extrem Schreckliches oder Bedrohliches“ erleben mussten: Trauma!

Aktuelles:

Interview mit Tim Herwig, Geschäftsführer der Ocean Wind gGmbH:

Tim: Wir müssen damit beginnen, darüber zu sprechen, was Trauma überhaupt ist. Damit holen wir es aus der Schmuddelkiste. Damit ent-pathologisieren wir es. Trauma ist keine Erkrankung. Es ist die normale Reaktion eines normalen Menschen auf ein unnormales Ereignis!

Es gibt eine Vielzahl an Definitionen für Trauma, die von verschiedenen Berufsgruppen unterschiedlich verwendet werden. In unserer Arbeit geht es um Psychotrauma und selbst das ist schwierig zu definieren. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist das Wort längst angekommen. Ich merke in meiner Arbeit immer wieder, dass jeder irgendwie eine andere Vorstellung davon im Kopf hat, was Trauma ist. In der Folge haben Menschen unterschiedliche Vorstellungen davon, wer „traumatisiert“ ist und wie „Traumatisierte“ aussehen. Auch meine eigene Vorstellung davon hat sich in den letzten 13 Jahren professioneller Beschäftigung mit dem Thema mehrfach gewandelt. Allen voran, weil ich es selbst erlebt habe.

Eine eingängige Definition ist:Trauma ist nicht das Ereignis, sondern das, was als Reaktion auf das Ereignis in uns passiert.“ – Dr. Gabor Maté

Tim: Menschen mit Traumaerfahrung sind nicht automatisch in prekären Lebenslagen. Trauma betrifft jeden Teil der Gesellschaft. Das Funktionsniveau von Menschen mit Traumaerfahrung kann sehr hoch sein. Führungskräfte, Leistungssportler oder Elitesoldaten haben mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit Erfahrungen gemacht, die potenziell traumatisierend sind, wie Geflüchtete, Randgruppen oder Drogenabhängige. Wobei natürlich Erfahrungen wie Krieg, Flucht oder extreme Armut in sich sehr belastend sind. Diese Gruppen unterscheiden sich am deutlichsten in der Verfügbarkeit von Ressourcen (personelle/ soziale/ finanzielle). Was sich wiederum darauf auswirkt, wie wahrscheinlich es ist, dass sie eine Traumafolgestörung entwickeln. Aber jetzt wird es schnell kompliziert. Aktuell ist die größte Herausforderung das Wort „Trauma“ und wie ich durch meine Verwendung des Wortes auch die Zielgruppe erreiche, für die unser Angebot ausgerichtet ist. Mein persönlicher Schwerpunkt liegt auf Trauma nach Nah-Tod-Erfahrungen. Also Menschen, die entweder schon klinisch tot waren oder tatsächlich sehr nah dran. Die sich schon verabschiedet haben aus diesem Leben. Allerdings profitieren Menschen mit Trauma und Traumafolgestörungen unterschiedlicher Couleur von unserer Arbeit. Das macht die Zielgruppe wieder weit auf. Es gibt einfach sehr viele Menschen, die schlimme Sachen erleben mussten und die das auch ihr Leben lang mit sich herumtragen.

Tim: Die zwei wichtigsten Bedürfnisse für jeden Menschen sind: Sicherheit (= Abwesenheit von akuter Bedrohung) und Bindung (= das Wissen/die Selbstverständlichkeit, dass es irgendjemanden gibt, der einen liebt). Mit Blick auf Säuglinge wird das besonders deutlich. Alle Säugetierbabys sterben, wenn sie niemanden haben, der sich um sie kümmert. Wenn wir bedroht sind oder uns bedroht fühlen, reagiert unser Körper. Das Stammhirn (u.a. Amygdala, periaquäduktales Grau) und unser vegetatives Nervensystem, also der Teil des Nervensystems, den wir nicht willentlich erreichen können (+ das endokrine System (Hormone)), erledigen diese Aufgabe ohne unser Zutun, also ohne, dass die höheren kognitiven Funktionen „gefragt“ werden. Daraus folgt, dass wir nicht freiwillig Stress-Belastungs-Reaktionen zeigen. Es kann auch gut sein, dass wir uns dafür schämen, uns dafür die Schuld geben, deswegen an uns zweifeln oder uns für „beschädigt“ halten.

Tim: Der erste Wirkfaktor ist ein Kontext, der nicht bedrohlich ist.

  • Dabei müssen wir auch berücksichtigen, dass Menschen subjektiv entscheiden, was für sie bedrohlich ist (s.o.). Es können auch die eigenen Gedanken/Erfahrungen/Erinnerungen (Trauma) sein, die sie bedrohen. Wiedererleben ist ein Teil der Definition von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Traumatische Erlebnisse werden nicht erinnert, sondern „wiedererlebt“. Samt körperlicher Reaktionen wie Angst, Schwitzen, Tunnelblick, Blackout, Herzrasen (oder starker Pulsabfall) etc. Das macht es ja so gemein für die Betroffenen. Darauf folgt dann ein Vermeidungsverhalten. Betroffenen wollen (verständlicherweise) nicht mehr in die Nähe von Gedanken oder Situationen, die sie an das Trauma erinnern. Das ist das zweite Symptommuster einer PTBS. Zudem entwickeln sie oft eine hohe Wachsamkeit/ Übererregung (Hypervigilanz). Es hilft auch nichts, wenn sie „wissen“, dass sie sich nicht in Bedrohung befinden. Der Körper muss es auch fühlen! Deswegen kommen wir hier auch nicht mit Gesprächstherapie allein weiter. Trauma ist per Definition non-verbal.
  • Wir wissen aus der Traumaforschung, dass, vereinfacht gesprochen, die Aktivität in der linken Hirnhälfte (Ratio, Logik, Sprachzentrum) sowie im Präfrontalkortex (exekutive Funktionen + Bewusstsein von „Selbst“ (sog. Default Mode Network)) in akuter Bedrohung anders involviert sind. Das geht so weit, dass während eines medizinisch induzierten Flashbacks keine Aktivität mehr in den entsprechenden Hirnarealen gemessen wurde. Das sollte uns schon zu denken geben, wenn wir auf die betroffene Person einreden, sie möge sich doch bitte nicht so aufregen. Sie ist schlicht verbal nicht zu erreichen und es ist auch „niemand“ zu Hause, den man erreichen könnte.

Für unsere Aktivitäten heißt das konkret, dass wir darauf achten, dass die Person im Hier und Jetzt sein kann und sich ent-spannen darf. Das Eintauchen in die Naturerfahrungen ist hier ein großer Teil. Wir kennen alle die beruhigende Wirkung von Wäldern, Bergen oder dem Meer. Dazu fordert die Aktivität Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Ein Segelboot gibt genaue Rückmeldung darüber oder es „richtig“ im Wind steht. Das spüren unsere Teilnehmer, ohne dass man darüber reden muss. Dazu die permanenten Reize, das Schaukeln, der Wind im Gesicht, die frische Luft, der weite Blick, das Sonnenlicht und vieles mehr. Es gibt sehr viel Forschung dazu, wir stark die Natur Erholung und Heilung fördert.

Der zweite große Wirkfaktor ist die Gruppe.

  • Wir wissen aus Studien über Psychiatrien, dass der Wirkfaktor „Mitpatient“ größer ist als der Wirkfaktor „Therapeut“. Wir bringen Menschen zusammen, die sich gegenseitig verstehen können, weil sie alle die Veränderung an sich selbst erlebt haben, welche das Trauma in ihnen ausgelöst hat (bewusst und unbewusst). Das gibt ihnen eine andere Glaubwürdigkeit, wenn sie zum Beispiel über das sprechen, was ihnen geholfen hat „wieder der Alte zu sein“. Das ist der gleiche Grund, weswegen die 12-Steps (Anonyme Alkoholiker) so erfolgreich sind. Weil sie von Menschen gelebt werden, die selbst die gleichen Schwierigkeiten haben.
  • In kleinen Gruppen in der Natur unterwegs zu sein, ob auf dem Segelboot oder beim Wandern, schafft unzählige kleine Begegnungen. Ich habe 20 Jahre lang Gruppen in den Bergen geführt. Die Erfahrung bestätigt sich immer und immer wieder. Menschen werden zu Gefährten, wenn es der Rahmen erfordert. Sogar jene, die sich nicht mögen. Sie müssen ja keine Freunde werden, aber für die geteilte Zeit helfen sie einander, sie achten aufeinander, sie nehmen Anteil aneinander, sie übernehmen Verantwortung für ein Gelingen, dass nur in der Gruppe möglich ist. Sprich, sie geben einander ein Gefühl von Bindung. Das löst wiederum im Gehirn die Ausschüttung von Neurotransmittern aus (Dopamin, Serotonin, Endorphine, Oxytozin) durch welche wir uns wohl fühlen, Freude empfinden, besser schlafen, Geborgenheit spüren und zur Ruhe kommen. Die reduzierten Reize in der Natur und die Selbstwirksamkeit im Sport tragen dazu bei.

Tim: Oh, da habe ich viele. Wenn Menschen weinen und zugleich strahlen, während sie sich bedanken. Das rührt mich immer sehr. Zuletzt war ich sehr glücklich zu sehen, wie dankbar und „transformiert“ die Teilnehmer auf unserem ersten Ocean Wind Törn (Kroatien Mai 24.) waren. Unter Auf dem Meer könnt ihr euch selbst ein Bild machen.

Wer wir sind:

Die Ocean Wind gGmbH arbeitet für von Trauma betroffene Menschen, betreibt Forschung und Aufklärungsarbeit zum Thema Trauma. Wir beraten Organisationen darin, wie sie langfristig und nachhaltig Erfolgreich sind. Weil sie verstanden haben, dass es ohne gesunde Mitarbeitende nicht geht.

Als gemeinnütziges Unternehmen kommt jeder eingenommene Euro direkt unseren Projekten zugute.

Unsere Mission:

Unsere Mission besteht darin, die Erkenntnisse der Traumawissenschaft in die Gesellschaft zu bringen.  Wir arbeiten mit der Bundeswehr, der Polizei, sowie mit non-profit Organisationen und Firmen, um mit unserer Arbeit die Richtigen zu erreichen. Wir arbeiten, damit Personen und Organisationen resilienter werden. 

Wer wir sind und warum wir tun, was wir tun, erfahren Sie unter über uns.

Unsere Einstellung ist geprägt von dem Leitsatz: „It’s not what’s wrong with you, it’s what happened to you.“ Unsere Aktivitäten werden von Personen geleitet, die dafür entsprechend qualifiziert sind. Mehr dazu erfahren Sie in unseren FAQ.

I.d.R. findet während unserer Veranstaltungen keine Therapie statt. Wenn Sie mit Ocean Wind unterwegs sein möchten, setzen wir voraus, dass Sie sich in medizinischer und/oder fachtherapeutischer Behandlung befinden oder befunden haben. Mehr dazu in unseren AGB.

Sie möchten dabei sein? Bitte schicken Sie uns eine Anfrage, eine verbindliche Anmeldung kann erst nach persönlichem Vorgespräch erfolgen.

Was ist ein Trauma?

Das Wort Trauma hat je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen und wird auch unterschiedlich verwendet. Wir definieren Trauma nach der ICD-11 als „ein extrem schreckliches oder bedrohliches Ereignis“. Für mehr Informationen klicken Sie hier.

Auf dem Meer

Wir segeln mit Menschen mit Trauma-Erfahrung. Die ein- bis mehrwöchigen Törns von Ocean Wind finden auf allen Meeren Europas statt. Was als nächstes geplant ist, erfahren Sie hier.

Am See

Lernen Sie segeln in unserem regelmäßig stattfindenden 3-Tage-Basic-Camp. Zum Beispiel am Lac de Neuchâtel oder am Thuner See. Dieses Angebot bietet einen geschützten Rahmen für Austausch und zugleich fabelhafte neue Erfahrungen auf dem Wasser. Mehr erfahren Sie hier.

Mitglied bei:

Förderpartner, Kooperationspartner und Kunden

Für wen wir bisher gearbeitet haben, mit wem wir kooperieren und wer uns unterstützt

Referenzen und Stimmen zu Ocean Wind

Was Ärzte, Wissenschaftler und Partner sagen

Prof. Dr. Habil. Jüster:

„Berg über Kopf (Vorgänger von Ocean Wind) avisiert Konzepte zur mentalen Stärkung und gesellschaftlicher Integration, beides sind zentrale Anliegen unseres Masterstudienganges. Durch die klare Spezifizierung – im Hinblick auf die von Ihnen genannte Personengruppe – sowie methodische Tiefung – in den Bereichen Naturerleben und Grenzerfahrung – erhält das Vorhaben auch eine klare Konturierung. Die Hochschule Kempten sowie der Masterstudiengang Supervision steht Ihrem Vorhaben sehr positiv gegenüber und kann sich einer wissenschaftlichen Begleitung Ihres Projektes gerne annehmen.“

Prof. Dr. med. Böhmer (✝)

„Das Konzept Re-Ski (Vorgänger von Ocean Wind) weist aus, dass sich eine Gruppe von hochqualifizierten Sportpädagogen diesem Problem angenommen hat, die den Skisport in Theorie und Praxis beherrscht und die Belastungen auf den Organismus gut abschätzen kann. Für die Rehabilitation nach Verletzungen, sie sollten nicht auf Skiverletzungen eingeschränkt sein, bietet die Bergwelt, der Schnee und die Höhenluft optimale Voraussetzungen. Neben der gesteigerten Lebenslust steigt auch die Motivation zur Bewegung; damit diese für die Gesundung voll genutzt werden kann, ist die Belastung an die Behinderung anzupassen.“

Houzun

… this sailing trip did help me in a lot of ways: it is a definitely memorable event for me. and those good spirits really did help me to restore a little more faith in humanity. and i feel a little more connected to the people. more understanding on love.